Das Jahresende macht die meisten von uns sentimental. Ich sitze hier, mit dem Handy in der Hand und scrolle durch die Galerien und lasse das letzte Jahr Revue passieren. Die großen und kleinen Momente, neue Kundenfotos und die vielen vielen neuen Errungenschaften. Dabei schaue ich mir nicht nur das Jahr der DreadFactory an, sondern allgemein das der europäischen Dreadlock-Szene. Und ich sehe vor allem ein so wunderbares Wachstum an Kunstfertigkeit, Qualität und Professionalität, Emotionen und das Begleiten von so unfassbar individuellen Kunden, die zu uns DreadstylistInnen kommen, um ihren Wunsch von ihren persönlichen Traumdreads in Erfüllung gehen zu lassen. Wir dürfen Menschen bei entscheidenden Schritten in ihrem Leben begleiten, beim Abschließen von besonderen Lebensphasen und vielen weiteren Anlässen, die uns immer wieder ans Herz gehen. DreadstylistIn sein ist eine Leidenschaft, die wunderbare Momente enthält, aber genauso anstrengend und kräftezehrend ist.
Es ist auch ein Dienstleistungsgeschäft und natürlich motiviert uns alle auch, die beste Qualität bieten zu wollen. Wenn auch Teil einer Subkultur, aus der wir uns als selbstständige, professionelle DreadstylistInnen heraus entwickelt haben, gibt es einen Wettbewerb. Er ist es, der den Stillstand vermeidet und uns alle dazu beflügelt, besser zu werden und die Kunden so glücklich zu machen, wie es eben mit einer Häkelnadel geht. Jeder von uns brennt für Locs und dennoch beginnt sich unsere Gemeinschaft von innen heraus aufzulösen. Eine Gemeinschaft, die sich als Randgruppe gefunden und formiert hat. Können wir nicht genug Gemeinschaft sein, um ein Tribe zu sein? Der sich gegenseitig stärkt und geschlossen steht. Wir, die Hippies, Metals, Sonderlinge und Künstler. Wir, die wir uns gegen die normative Gesellschaft stellen und für Offenheit und Individualität stehen?
Trotz Wettbewerb, können wir bereit sein, einen Tribe als Spiegelbild einer Gesellschaft zu bilden, der auf gemeinsame Werte des Respektes und der Akzeptanz beruht.
Es ist bestimmt einfacher, Fehler bei anderen zu suchen und den kurzen Weg der Diffamierung zu wählen, um Konkurrenz auszuschalten. Der gesunde, konstruktive Weg aber ist das nicht. Mir wurde oft vorgeworfen, Missgunst anderen DreadstylistInnen gegenüber zu hegen, die ich oftmals nicht einmal kenne. Ich höre von anderen, was für ein niederträchtiges Bild von mir gezeichnet wurde von Menschen, die mich niemals kontaktiert haben. Wo Erfolg ist, gibt es natürlich auch Enttäuschung. Aber wie krass wäre es bitte, wenn wir es schaffen würden, anders zu sein?
Ich bin unfassbar stolz auf die Leistung von dem gesamten Team der DreadFactory und von allen anderen, die viele KundInnen glücklich gemacht haben. Wir werden weiterhin Erfolg und Misserfolg haben, um Interessenten buhlen und die Häkelnadeln gezückt halten. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass es möglich ist, als Beispiel voran zu gehen. Wir, als die Subkultur, die mehr Flausch in die Welt bringt.