Seit fast 15 Jahren besteht nun die DreadFactory als ein Zusammenschluss von professionellen DreadstylistInnen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Welt zu verfilzen – oder anders ausgedrückt: qualitativ hochwertige Dreadlocks zu erstellen und zu pflegen.

Manche im Team arbeiten hauptberuflich als DreadstylistIn, andere hingegen haben neben ihrer Passion für Dreadlocks noch andere Berufe. Heute möchte ich euch gern Julia vorstellen. Sie wurde 2018 Teammitglied der DreadFactory und lebt auf einem Demeterhof. Weil ich mich selbst für Nachhaltigkeit und eine Lebensweise, die im Einklang mit der Natur steht, interessiere, habe ich die Chance genutzt, und durfte Julia ein wenig ausquetschen, wie es sich so auf einem Demeterhof lebt, was Nachhaltigkeit für sie bedeutet und was das alles mit Dreadlocks zu tun hat.

Julia, vielen Dank, dass ich dir ein paar Fragen stellen darf! 

Klar, ich erzähle gern ein bisschen was dazu!

Du bist auf dem Demeterhof aufgewachsen, oder? 

Meinen Eltern gehört der Hof. Wir leben schon immer hier, abseits von Dörfern und Städten, sehr idyllisch und ruhig. Mein Opa hat den Hof vor fast 50 Jahren mitten in die Landschaft gebaut und nach seinem Tod hat mein Vater den konventionellen Hof übernommen. 

Also habt ihr als konventioneller Hof angefangen?

Genau. Vor zwei Jahren dann hat sich mein Vater dazu entschieden, auf Demeter umzustellen, weil er gesehen hat wohin konventionelle Landwirtschaft die Bauern treibt. Und wie jeder an diesem System Geld verdient außer die Bauern und wie die Tiere und die Natur den Preis für billige Lebensmittel und ein billiges Leben der Menschen bezahlen. 

Warum Demeter? Hätte es nicht auch gereicht, auf „Bio“ umzusteigen?

Demeter ist zwar nur eines von vielen Bio-Siegeln, aber für unsere Familie kommt es am nähesten an eine artgerechte Tierhaltung und vernünftige, nachhaltige Bewirtschaftung der Ländereien heran. Die Richtlinien von Demeter basieren auf der Anthroposophischen Weltanschauung von Rudolf Steiner, der auch die Grundlagen für Waldorf-Schulen gelegt hat. Diese zu erläutern würde hier wohl den Rahmen sprengen, aber es dreht sich viel um eine ganzheitliche Betrachtung der Dinge und darum, dass ein Gleichgewicht (wieder)hergestellt wird in der Natur.

Ein super Auszug von der Demeter-Website: „Das Ideal der Biodynamischen Wirtschaftsweise ist die Kreislaufwirtschaft: Der Landwirt hält so viele Tiere wie er mit seinem Land ernähren kann. Deren Mist sorgt für eine hohe Bodenfruchtbarkeit, die beste Lebensmittel für den Menschen hervorbringt. Mit Hilfe von Biodynamischen Präparaten ordnet der Erzeuger Naturprozesse. So wird der Hof zu einem einzigartigen Organismus, in dem jedes Organ das andere braucht: Mensch, Pflanze, Tier und Boden wirken zusammen.“

Der Umbau unseres Hofes ist mittlerweile fast vollständig abgeschlossen und das merkt man nicht nur an den Ställen sondern ganz besonders an den Tieren. Sie sind sehr viel entspannter und zufriedener als sie es zuvor waren. Das liegt vor allem daran, dass sie sich frei bewegen können und sicherlich auch am sehr guten Demeter-Futter, das sie bekommen. Außerdem sind unsere Tiere kaum krank. Das liegt vor allem an der wunderbaren Homöopathie-Arbeit die meine Mutter leistet. Durch sie brauchen wir keinen Tierarzt.

Was hat dieser Schritt mit dir gemacht? Du warst es ja gewohnt, dass die Tiere konventionell gehalten werden.

Die Umstellung auf Demeter hat in mir sehr viel bewegt. Ich war bereits davor ein Mensch, der Prozesse und Systeme in Frage stellt, aber diese Skepsis war lange Zeit auf alles andere außer der Berufung meiner Eltern bezogen (logisch, mein elterlicher Respekt hat mir das wohl verboten). Mit der Umstellung kam dann auch hier Misstrauen gegenüber den konventionellen Arten der Landwirtschaft auf. Wer sich genauer mit Landwirtschaft auseinander setzt, wird schnell merken, dass es alle Bereiche unseres Lebens beeinflusst und dass es ein sehr vielschichtiges Thema ist, zugleich aber auch wahnsinnig interessant.

Ich denke nicht, dass alle konventionellen Betriebe schlecht sind. Ich musste lernen hier zu differenzieren. Was ich aber weiß ist, dass ich dem Demeter-Siegel vertrauen kann. Es steht für Tierwohl und für gesunde Böden und Lebewesen und eine tolle Philosophie, bei der unsere Erde wertgeschätzt wird. Demeter bedeutet sehr viel mehr Arbeit, aber gerade das bedeutet auch, dass die LandwirtInnen mit Leib und Seele hinter eben diesem Weltbild stehen und das macht das Ganze (zumindest für mich) schon sehr vertrauenswürdig.

Du bist seit 2018 Teammitglied bei der DreadFactory (yay!). Das bedeutet, dass deine KundInnen zu dir auf den Hof kommen. Was glaubst du, macht das für einen Unterschied bei deiner Arbeit als Dreadstylistin?

Ganz oft habe ich KundInnen bei mir zuhause auf dem Hof, die sich vegan oder vegetarisch ernähren und ich finde es immer wieder wahnsinnig interessant, über Ernährung zu reden. Vor allem, da sich die KundInnen oft aus ganz unterschiedlichen Gründen für Veganismus oder Vegetarismus entscheiden und der Landwirtschaft und Tierhaltung natürlich sehr skeptisch gegenüber stehen. Nicht selten tauchen wir dann ab in tiefe Gespräche. Da ich außerdem in einem Bioladen arbeite, kann ich mir aus solchen Gesprächen sehr viel lernen, denn ich kann dann nicht nur die Ansicht der Erzeuger- und HändlerInnen sondern auch die der KundInnen viel besser nachvollziehen.

Was bedeuten dir Dreadlocks persönlich? Wie passen sie in das ganzheitliche Bild?

Ich würde sagen, dass meine Dreadlocks schon einen Einfluss auf meine ganzheitliches Bewusstsein haben. 
Sehr prägend war damals mein verrückter Hippie-Fahrlehrer… Fahrstunde über Fahrstunde haben wir über die Gesellschaft und über Bewusstsein und über Systeme und Politik diskutiert und das alles hat einen ganz tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Ein paar Monate später dann stand mein Entschluss fest, dass ich Locs haben will. Nicht um mich selbst in eine Schublade zu stecken, eher um mich selbst auch ein wenig zum Nachdenken anzuregen und mich immer wieder selbst daran zu zu erinnern, Dinge zu hinterfragen und die Welt bewusster wahr zu nehmen. Wie hätte das besser funktionieren können als mit dem Blick in den Spiegel? Und seither ist das so. Man lernt ja bekanntlich nie aus und ich finde es ganz interessant, dass auch Menschen durch die Dreads ganz anders auf mich zugehen. Offener und eben auch bereit über tiefergehende Themen zu reden und zu diskutieren. Das wiederum trägt viel dazu bei, die Wahrheit aus vielen Perspektiven zu akzeptieren und ich würde sagen, das vergrößert meine Weltanschauung schon ungemein. 
Natürlich ist die Frisur generell aber nur das was man daraus macht. Dreadlocks können jemanden nur zum Nachdenken anregen, wenn der Mensch das auch zulässt - schließlich ist bewusstes und ganzheitliches Denken auch ein langer Weg, der erst irgendwann beginnen muss. Ich für meinen Teil wüsste nicht, ob ich ganz ohne Locs heute so denken würde wie ich es tue, aber man kann Dreads natürlich auch nur als modisches Accessoire tragen und sich nichts aus „Bio-Essen“ und „Meditations-Hippie-Getue“ machen. Ich denke das ist von Person zu Person unterschiedlich. 
Aber es gibt da diese Geschichte von Samson und Delilah aus dem alten Testament, wonach die Kraft und Energie von Samson in seinen Haaren sitzt und er erst besiegt werden kann, weil man ihm die Haare abgeschnitten hat… vielleicht sind Dreadheads eher bewusst orientiert weil all ihre Kraft in den Haaren erhalten bleibt? Fallen ja nicht mehr aus… 😀

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